About Time – Zeitgeist ist Trend

Die eigene Zeit möglichst sinnvoll nutzen – was heißt das eigentlich? Für unseren Trend About Time hinterfragt Autorin Laura unser Verständnis von Zeit.

Ein grüner Wecker zeigt halb drei.

Zeitmanagement ist ein wertvolles Werkzeug gegen die alltägliche Überforderung.

Immer wieder ertappe ich mich bei der Frage, ob ich meine Zeit sinnvoll verbringe. Kaum entspanne ich vor dem Fernseher, bringen mich die Nachrichten auf die Idee, meine Zeit besser zu nutzen. Auf der Klimademo wandern die Gedanken zu unerledigten Haushaltsaufgaben. Beim Abwasch gelobe ich, mich mehr zu bewegen, und schließlich lassen mich beim Yoga die Deadlines der Arbeit nicht los. 

Wäre es nicht viel einfacher, wenn ich mein Tun nicht daran messen würde, was gerade am sinnvollsten wäre? So wie mir geht es vermutlich den meisten Menschen, die in unserer Leistungsgesellschaft leben. Doch vielleicht sind wir nun endlich so weit, aus anderen Blickwinkeln über unser Verständnis von Zeit sprechen: Care-Arbeit, Vier-Tage-Woche, Mental Health, Produktivitätssteigerung oder generative KI – alles Themen, die irgendwie mit unserer eigenen Zeit zusammenhängen.

Ein Buchcover mit pinker Schrift und SPIEGEL Bestseller Aufkleber.

Der Bestseller von Teresa Bücker identifiziert Zeitgerechtigkeit als zentrale Frage von Gleichberechtigung.

 

 

 

Allezeit – Zeit geht uns alle an

Einfach nur im Hier und Jetzt zu leben, ist zum einen eine Mindset-Frage. Zum anderen ist heutzutage die Vorstellung, jede Minute des Tages mit gewinnbringender Produktivität füllen zu müssen (oder zu können), gesellschaftlicher Standard geworden. Ob das glücklich macht, steht auf einem anderen Blatt. Nämlich auf 400 Seiten in Teresa Bückers Buch namens „Alle_Zeit – Eine Frage von Macht und Freiheit“ (2022). Hierin plädiert die feministische Journalistin für eine Aufwertung und gerechte Verteilung der Ressource Zeit. Dafür sind tiefgreifende Veränderungen nötig, die wir in Ansätzen bereits sehen können: in den Diskussionen rund um Gleichberechtigung und Care-Arbeit, Work-Life-Balance  und Mental Load.

 

 

Eine Hand steckt eine Uhr wie eine Münze in ein Sparschwein.

Wer viel Zeit spart, hat auch viel davon. Stimmt das?

Arbeitszeit – mehr arbeiten ist auch keine Lösung

Bisher galt in unserer westlichen Leistungsgesellschaft die simple Gleichung „Zeit ist Geld“. Bedeutet im Umkehrschluss: Jede Stunde, die nicht mit bezahlter Arbeit gefüllt ist, wird als weniger wert empfunden. Darunter fallen nicht nur vermeintlich optionale Tätigkeiten wie Hobbys, sondern auch absolut notwendige Care-Arbeit und in vielen Fällen sogar ausreichend Schlaf. Dabei ist unsere „professionelle Wirkungskraft“ reduziert: „Wir arbeiten und arbeiten, schaffen aber kaum noch etwas“, schreibt Sara Weber, Autorin des Sachbuchs „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“ (2023). Sie fordert neue flexible Arbeitszeitkonzepte, die es Angestellten erlauben, ihre Aufgaben in der notwendigen Zeit zu erfüllen, anstatt in der vorgegebenen Zeitspanne. Dieser Wunsch nach mehr Zeitsouveränität und mehr Freizeit stellt die Arbeitswelt zweifellos vor Herausforderungen, für die es neue Lösungen braucht.

 

Eine Armbanduhr, ein Stickrahmen, grüne Wolle, Stricknadeln, Briefpapier und ein altmodischer Fotoapparat.

Wir brauchen mehr Zeit für Hobbys, Engagement und auch Langweile.

 

Freizeit – ein Plädoyer für echte Pausen

„Das Problem ist, dass wir Erwerbsarbeit mit Sinnstiftung und Freizeit mit Erholung verbinden. Pausen sind zwar elementar, aber auch in der Freizeit kann Sinnvolles entstehen“, betont Teresa Bücker. Als Gesellschaft sollte uns deshalb mehr daran gelegen sein, auch die unsichtbare Arbeitszeit zu würdigen und im besten Fall zu entlohnen. Dazu gehören neben Sorgearbeit auch politisches Engagement sowie kreative Entfaltung mit echtem Erholungswert, Bildung und Gesundheitsvorsorge. Und wir sollten uns dringend bewusst machen, dass wir alle auch unverplante Zeit für uns selbst brauchen. Zum Beispiel, um auch mal zu „niksen“ (niederländisch für „nichts tun“) – denn richtige Pausen und sogar Langeweile entlasten unser System und bringen uns auf neue Gedanken. Genau dafür ist beispielsweise der „Blau-mach-Tag“ bei Adel & Link gedacht.

 

 

Eine Landschildkröte auf Kieselsteinen.

Die Schildkröte Cassiopeia aus „Momo“ inspiriert uns zum Innehalten und Nachdenken.

Lebenszeit – unsere wertvollste Ressource

Wir können unsere Lebenszeit nicht nicht nutzen, aber – im Unterschied zu Geld – auch nicht einfach vermehren. Eine anschauliche Analogie hierfür hat Michael Ende in seinem Klassiker „Momo“ (1973) entworfen: Die grauen Herren fordern die Menschen dazu auf, ihre Lebenszeit zu sparen, indem sie ihre Arbeit immer effizienter erledigen und auf vermeintlich sinnlose Freizeitaktivitäten verzichten. Allerdings wird schnell klar, dass die Menschen gar nichts von ihren eingesparten Stunden haben. Die grauen Herren leben von der gestohlenen Zeit, während die Menschen sich sinnlos krummschuften. An diesem dystopischen Punkt sind wir zum Glück noch nicht angelangt. Doch die Geschichte erinnert mich immer daran, Pläne für „eines Tages“ nicht zu lange aufzuschieben und meine Prioritäten nicht nur an Geld, sondern auch an der kostbaren Ressource Zeit auszurichten: Ich möchte Zeit nicht nur nutzen, einsparen oder totschlagen, sondern sie vor allem sinnstiftend und freudvoll verbringen. 

 

 

 

Über die Autorin: Laura Finckh ist Junior Texterin der Storytelling & Employer Comms Unit. Mit ihrem Abschluss in Literatur und Anglistik sammelte sie erste Erfahrungen in Verlagen, Vereins-PR und einer Zeitschriftenredaktion. Ob Copywriting, Lektorieren, Übersetzen oder Prompten – Lauras Gespür für Sprache und Kommunikation lässt sie nie im Stich.

 

 

 

 

Trends: Adel & Link HIVE Studios

Fotos: Unsplash, Giulia Bertelli; Unsplash, Morgan Housel; Unsplash, Melissa Keizer; Unsplash, Abdul A

Teresa Bücker: „Alle_Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit.” (2022), Ullstein Hardcover: https://www.ullstein.de/werke/alle-zeit/hardcover/9783550201721