Rediscovery of Home – die Metamorphose des Zuhauses

Einschneidende Ereignisse lassen uns oft gewohnte Lebensweisen hinterfragen. Die Corona-Pandemie zählt zweifelsohne dazu. Bei den jüngeren Generationen in Deutschland hat bislang keine historische Begebenheit so stark in den intimsten Lebensraum eingegriffen: Die Pandemie hat unser Zuhause auf den Kopf gestellt. Da ging es Menschen rund um den Globus ganz ähnlich. Nun betrachten wir unseren Wohnraum aus einem neuen Blickwinkel. Was hat sich kurzfristig verändert? Was haben wir gelernt? Wie und vor allem wo wollen wir in Zukunft leben? Um diese Fragen dreht sich unser Trend Rediscovery of Home.

Die Lockdowns und Ausgangsbeschränkungen lösten den ersten Schritt der Transformation aus: Provisorische Arbeitsplätze zogen in unsere vier Wände ein, da für viele Homeoffice und -schooling angesagt waren. Bald darauf wurden Yogamatte und kleinere Sportgeräte zum festen Bestandteil der Wohnzimmerlandschaft. Doch das konnte kein Dauerzustand sein und bei vielen Menschen wuchs der Wunsch nach heimischer Ästhetik. Nicht zuletzt, weil die Hanteln mitten im Wohnzimmer eine miese Stolperfalle sind.

Neue Bedürfnisse

Es folgte der zweite Schritt der Transformation, in dem sich auch derzeit noch viele befinden: Das Zuhause durchläuft eine Metamorphose. Dabei werden alte Strukturen aufgebrochen und die klassische Einteilung von Wohn-, Ess- und Schlafzimmer hinterfragt. Aus der anfangs provisorischen Arbeitsecke wird in vielen Wohnungen – oft durch eine Umverteilung der Räume – nun ein fester, ansprechender Arbeitsplatz. Und auch das improvisierte Gym ist aus dem Zentrum des Wohnzimmers an einen geeigneteren, dauerhaften Platz zu Hause gezogen. Manche Wohnungen wurden um kleine Rückzugsorte ergänzt, um etwa in der neuen, bequemen Leseecke dem Familientrubel für einen Moment zu entfliehen.

Mit cleveren Raumtrennungslösungen lässt sich alles elegant anordnen. Immer häufiger ziehen multifunktionale Möbelstücke ein – wir haben aus dem vergangenen Jahr gelernt und wollen zu Hause für jede Situation gewappnet sein. Die Möbel- und Einrichtungsbranche boomt, da viele Menschen mehr unverplante Zeit haben und durch den Verzicht auf Urlaub und Restaurantbesuche mehr Geld ausgeben können. Da wir aufgrund der Kontaktbeschränkungen deutlich weniger Besuch empfangen haben, stellten wir uns öfter die Frage, wie unser Zuhause aussehen muss, damit wir selbst uns darin maximal wohlfühlen. Es geht nicht mehr darum, andere zu beeindrucken. Die beste Zeit also, um den wirklich eigenen Stil zu finden.

Raus aus den Metropolen

Doch ist eine Anpassung des Zuhauses an die neu entstandenen Bedürfnisse schon genug? Mit den Einschränkungen des öffentlichen Lebens verblasste zunehmend der Charme der Großstädte. Im vergangenen Jahr verbrachten wir so viel Zeit in der Natur wie kaum zuvor. Glück hatten jene, die einen Wald, Garten oder einen Park vor der Tür haben. Auch Balkone wurden zum wahren Luxus – der ganz eigene Platz an der frischen Luft. Die Wartelisten für Schrebergärten in Städten sind explodiert. Die Pandemie hat in uns eine neue Lust auf Grün geweckt. Ungezählte „Plantfluencer“ poppten auf den sozialen Plattformen auf – wer keine Natur vor der Haustür hat, holt sich diese eben in Form von Zimmerpflanzen nach Hause. Doch nicht immer kann diese Anpassung das Verlangen nach einem Leben im Grünen stillen.

Wer mehr will, geht einen Schritt weiter – und sucht nach einer neuen Wohnung oder einem Haus. Ein Garten oder zumindest ein Balkon sind obligatorisch geworden. Immer beliebter wird auch das Zuhause im ländlichen Raum. Laut einer aktuellen Umfrage im Auftrag des Verbandes der Privaten Bausparkassen wollen heute lediglich 9 Prozent der Befragten in einer Metropolstadt leben.

Übers Land verstreut und doch zusammen

Die Pandemie hat vielen Arbeitgeber:innen bewiesen, dass die Mitarbeitenden auch von zu Hause gute Arbeit leisten. Remote Working hat auf dem Arbeitsmarkt neue Möglichkeiten geschaffen. Im Netz sind alle an einem Ort, auch wenn die Kolleg:innen in Magdeburg, Köln, Frankfurt und München sitzen – so wie inzwischen in unserem Fall. Auch nach der Pandemie wird Homeoffice Teil des Arbeitslebens bleiben. Für viele, die vorher das Pendeln zur Arbeit scheuten und sich deshalb für eine Wohnung in der Stadt entschieden, steht dem ersehnten Landleben nichts mehr im Wege – die Arbeit kommt einfach mit. Und auch die Mietpreise außerhalb der Ballungsräume lassen Spielraum für ein wirklich schönes Yoga- und Arbeitszimmer.

Doch was macht dieser Wandel mit uns als Gesellschaft, jetzt, da wir gelernt haben, unsere Arbeit und unsere Freizeit in den eigenen vier Wänden zu verbringen? Und wie wird sich unser Zuhause in der Zukunft entwickeln? Denkbar wäre, dass die eigenen vier Wände immer mehr Unterhaltungsmöglichkeiten parat haben werden. Und was macht dieser Wandel tatsächlich mit unserer Inneneinrichtung? Die Reise der Wiederentdeckung unseres Wohnraumes hat gerade erst begonnen.

 

Text:
Luna Kilian

Fotos:
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