04 Jul Trend #allcycling: Der Traum von einer Welt ohne Müll
Eine Kreislaufwirtschaft, in der es keinen Müll mehr gibt? Das ist Teil unseres Trendthemas Allcycling – der Weiterentwicklung von Re- und Upcycling. Dieser Ansatz könnte zur Folge haben, dass Unternehmen künftig dafür verantwortlich sind, den Weiterverwertungsgedanken schon in die Ressourcenbeschaffung und Produktion miteinzubeziehen.
Passend zum Thema hatten Markus Eikam und Holger Burckhardt von der Frankfurter Regionalgruppe des Cradle to Cradle e. V. spannende Produktinnovationen zu unserer trendvernissage #6 mitgebracht: unter anderem Textilien aus Eukalyptus- und Buchenholz und Wet-green-Leder, das mit Olivenblättern gegerbt wird.
100 % Compostable: Die Tencel-Fasern werden aus dem Zellstoff von Eukalyptus- oder Buchenholz gewonnen.
Der Verein setzt sich seit sechs Jahren für einen langfristigen gesellschaftlichen Kulturwandel ein. Das Designkonzept „Cradle to Cradle“ bedeutet „von der Wiege zur Wiege“ – neben Stoffkreisläufen geht es auch um Materialien, die für Mensch und Umwelt gesund sind. Ein Negativ-Beispiel: Bei Fleecejacken aus recycelten PET-Flaschen kommen die Inhaltsstoffe in direkten Kontakt mit unserer Haut, wofür das Polyethylenterephthalat ursprünglich nicht konzipiert worden war. Es enthält Antimon, das für die menschliche Gesundheit gefährlich ist.
Baumwolle verschlingt pro T-Shirt bis zu 2.000 Liter Wasser – 10- bis 20-mal so viel wie die Eukalyptuspflanze.
6 Fragen an die Regionalgruppe Frankfurt des Cradle to Cradle e. V.:
Was ist die offizielle Definition von Müll? Und wie viel Abfälle erzeugen wir Deutschen im Jahr?
Der Begriff Müll wurde ursprünglich für Kehricht und trockene Abfälle verwandt. Heute verstehen wir darunter Gegenstände, Stoffe, Rückstände oder Reste, derer sich der Besitzer entledigen will. Das neue Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz unterscheidet zwischen Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung (das betrifft jene, die bisher nicht verwertet werden können). Laut Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2015 in Deutschland insgesamt über 402 Millionen Tonnen Abfall verursacht.
Mülltrennung gibt es in Deutschland seit den 1970er-Jahren. Warum reicht die Trennung nicht – was ist das Problem an unseren Abfällen?
Grundsätzlich ist die Mülltrennung richtig und wichtig. Die Kosten tragen jedoch die Bürger und Bürgerinnen. Wir bezahlen für unsere Abfälle zum einen über den Kaufpreis einer Produktverpackung, auf die der Hersteller die Kosten aus dem Dualen System (der Grüne Punkt) aufschlägt. Zum anderen erhebt die Stadt oder Gemeinde, in der wir leben, Gebühren für die Hausmüll-Entsorgung. Das Problem: Beim Design eines Produktes wird in der Regel nicht miteinbezogen, was nach der Nutzung passiert. So liegen die Verwertungsquoten beim Recyclingprozess bei etwa 30 bis 40 Prozent. Sogenannte Verbundstoffe können beispielsweise nicht voneinander getrennt werden. Insgesamt wird beispielsweise circa die Hälfte des Kunststoffs verbrannt und die andere Hälfte werkstofflich verwertet. Verwertung bedeutet hier letztlich Downcycling und nicht die qualitativ hochwertige Aufbereitung in neue Produkte, wie Cradle to Cradle es fordert.
Was unterscheidet „Von der Wiege zur Wiege“ vom Konzept „Kreislaufwirtschaft“?
Bei konventioneller Kreislaufwirtschaft geht es darum, das bestehende System bzw. Produkte zu optimieren. Cradle to Cradle setzt jedoch viel früher an, denn schon beim Design eines Produktes wird überlegt, was nach der Nutzung damit geschieht. Alle Produkte werden nach dem Prinzip einer unendlichen Kreislaufwirtschaft konzipiert. Dabei unterscheiden wir zwischen dem biologischen und dem technischen Kreislauf. Wir möchten anstoßen, dass Produkte so designt werden, dass sie gesund für Mensch und Umwelt sind und mit regenerativer Energie hergestellt werden.
Könnt ihr Beispiele von Innovationen nennen, die ihr für fördernswert haltet?
Der mit Abstand größte Anteil entsteht in der Bau- und Abbruch-Industrie mit fast 209 Millionen Tonnen Abfall – das entspricht 52 Prozent des deutschen Brutto-Abfallaufkommens. Auch renommierte Unternehmen haben inzwischen bereits C2C-zertifizierte Produkte im Angebot. Hier vier Beispiele:
• Wände aus Holz100 bestehen ausschließlich aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz. Der massive Wandaufbau wird durch mechanische Verbindungen mit Holzdübeln möglich. Leim oder Metall, giftige Chemie oder Holzschutzmittel kommen nicht zum Einsatz.
• Accoya Holz wird mit Essigsäureanhydrid behandelt. So wird es für holzzerstörende Pilze oder Insekten schwierig, sich anzusiedeln. Die gebrauchstaugliche Einsatzdauer des Holzes im Außenbereich wird somit verlängert.
• Schüco Fenster (z. B. AWS 75.SI+) sind die ersten Fenster, die nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip konzipiert und daher auf Schadstoffe und Recyclingfähigkeit geprüft wurden.
• Die Dämmplatten CALOSTAT sind trotz ihres sehr hohen Dämmwerts dünn und ermöglichen so einen schlanken Fassadenaufbau. Sie sind zudem nicht brennbar sowie frei von Raumluftschadstoffen und lassen sich daher für anspruchsvolle Dämmungen außen wie innen einsetzen.
Wie stellt ihr euch die Stadt der Zukunft vor?
Eine Stadt, die aktiv die Gesundheit für Menschen und Tiere verbessert. Gebäude, die die Luft reinigen, die Gesundheit der Menschen fördern, Nährstoffe produzieren und mehr erneuerbare Energien erzeugen als benötigt wird. Die Wasserqualität der Flüsse steigt, indem sie durch die Stadt fließen. Die Stadt steigert die Biodiversität. Die Stadt der Zukunft als Luftkurort und Naherholungsgebiet.
Lest mehr zur Stadt der Zukunft in unserem Blogbeitrag zum Thema #ecopolis
2 Fragen an Markus von der Frankfurter Regionalgruppe:
Was meinst du, warum ist „Von der Wiege zur Wiege“ so wichtig für unsere Gesellschaft?
Den Vorteil für die Gesellschaft sehe ich in einer Verbesserung der Volksgesundheit, einem deutlichen Rückgang der Umweltverschmutzung und letztlich in der Entspannung internationaler Konflikte, die zwangsläufig in der Vergangenheit durch Rohstoffmangel entstanden sind und auch noch entstehen können.
Warum hat dieser Trend ein großes Zukunftspotenzial?
C2C birgt das Potenzial für einen einzigartigen Innovationsmotor, der den Umbau der Wirtschaft in Zeiten von Industrie 4.0 positiv beflügeln wird. Ich wünsche mir, dass C2C die Antwort auf die noch offenen Fragen und Probleme der heutigen Zeit ist.
Wir möchten uns an dieser Stelle nochmals ganz herzlich bei der Regionalgruppe des Frankfurt des Cradle to Cradle e. V. bedanken!
Schlagworte: Allcycling, Trends2018, trendvernissage, Cradle to Cradle, Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, Müll