TREND #IAMWOMAN: Frau = Mann?

100 Jahre Frauenwahlrecht, eine Bundeskanzlerin, die #MeToo-Bewegung und die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter: Der Feminismus ist in der Gesellschaft angekommen – doch ist er das auch in den Köpfen? 

1968 warf Sigrid Rügner bei der Delegiertenkonferenz des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes drei Tomaten auf das Podium und trat damit die zweite deutsche Frauenbewegung los. Reformen des Ehe- und Familienrechts (1977), das Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz (1980) und das 2. Gleichberechtigungsgesetz traten in Kraft (1994), die Vergewaltigung in der Ehe wurde unter Strafe gestellt (1997) – man könnte meinen, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen bereits weit vorangeschritten ist. 

Gleichstellung nur auf dem Papier?

Die Realität sieht anders aus: Dass ein Mann aus Angst vor blöden Sprüchen einer Frauengruppe nachts die Straßenseite wechselt, passiert selten. Auch der Spruch „Schön, dass wir jetzt so einen hübschen Kollegen im Team haben“ wird sich ein Mann nicht oft anhören. Wie oft sieht man schließlich eine Frau einem Mann hinterherpfeifen? 

Was ich sagen will: Viele Dinge in unserer Gesellschaft gehören so unhinterfragt zum Frausein dazu, dass sie als natürlich angesehen werden. Unsere Sozialisation weist uns die richtigen Verhaltensweisen in der Gesellschaft zu: Wann wir reden sollen, wann schweigen, welches Verhalten gebilligt und welches geächtet wird. Und genau an dieser Stelle fangen die Unterschiede an, die den Geschlechtern zugrunde liegen. 

Betrachtet man allein die Sprache: Feuerwehrmann – Feuerwehrfrau? Auch wenn die Bezeichnung tatsächlich im Duden eingetragen ist, erntet man bei Verwendung des Begriffs eher ein Schmunzeln. Laut einer deutschen Studie an 500 Kindern zwischen 6-12 Jahren geben insbesondere Mädchen eher an, einen „typischen“ Männerberuf ausüben zu wollen, wenn sie mit einer weiblichen Form davon konfrontiert werden – etwa Ingenieurin oder Astronautin. Das gleiche gilt umgekehrt für Jungs: Sie sehen sich eher als Geburtshelfer, wenn nicht nur von Helferinnen die Rede ist. Sprache hat also einen Effekt auf die Vorstellung, was überhaupt denkbar ist.

Beruf und Körper

Von 10 Stadtoberhäuptern in Deutschland sind neun Bürgermeister, eine ist Bürgermeisterin. Das ist nur ein Beispielberuf, in dem Männer dominieren – auch in der freien Wirtschaft gibt es ganze Branchen, vornehmlich technische, die eher männlich besetzt sind. Andere, wie Pflege- und soziale Berufe, sind eher weiblich. Und gerade diese wichtigen Berufe sind schlechter bezahlt.

Die PR-Branche ist übrigens auch stark weiblich, wie wir aus eigener Erfahrung wissen: Wir sind drei Kollegen und 15 Kolleginnen. Manchmal überlegen wir, ob wir nicht eine Männerquote einführen sollen – im Scherz zwar, aber zusammen arbeitet es sich doch oft schöner. Dafür nimmt der erste Mann bei uns jetzt auch Elternzeit. Einer unser Co-Gründer hat das vorgelebt, bereits vor zwölf Jahren neun Monate Elternzeit genommen und in Teilzeit gearbeitet. Das finden wir richtig gut. 

Im Haushalt ist die Arbeit ebenfalls ungleich verteilt, auch wenn Männer jetzt Elternzeit nehmen können oder ganz zuhause bleiben. Laut Eurostat kochen 72 Prozent der Frauen in Deutschland regelmäßig zuhause und/oder verrichten Hausarbeit; bei den Männern liegt dieser Anteil in Deutschland nur 29 Prozent – in Schweden immerhin bei 56 Prozent. 

Die Wahrnehmung männlicher und weiblicher Aufgaben scheint so unterschiedlich zu sein wie die der unterschiedlichen Körper. So gelten etwa Fotos weiblicher Nippel im Internet als höchst anzüglich. Instagram und Facebook löschen entsprechende Bilder sofort, während der selbe Ausschnitt bei Männern akzeptiert wird. 

Das „F-Wort“ 

Bild © hr/Grafik

Auch wenn sich die Gesellschaft weiterentwickelt, macht es noch einen Unterschied, ob man eine Frau oder ein Mann ist. Das sieht auch Pola Sarah Nathusius so, die mit einer Kollegin den YOU FM Podcast „Das F-Wort“ moderiert, der sich mit den Themen Sexismus und Gleichberechtigung beschäftigt. 

Jede Folge vom „F-Wort“ geht auf einen bestimmten Themenbereich ein: Von Frauen in der Religion, über Sex und Beziehungen zu Social Media – Staffel 2 vom „F-Wort“ behandelt aktuell etwa Feminismus & Fußball, Frauensolidarität und Reisen. Zu Gast sein werden unter anderem Ann-Katrin Schmitz von Novalanalove, Sara Nuru und Victoria van Violence.

Pola Sarah Nathusius war auch bei unserer letzten Trendvernissage zu Gast – wir haben sie zum Thema Feminismus interviewt. Pola sagt: „Für uns bedeutet Feminismus einfach Gleichberechtigung der Geschlechter. Nicht mehr und nicht weniger. Das steht für uns nicht zur Diskussion – sehr wohl aber sprechen wir über Fragen, denen jede Feministin und jeder Feminist begegnen.“ 

Rechtlich sind Männer und Frauen in Deutschland gleichgestellt – doch der Wandel in den Köpfen ist noch in vollem Gange. Deshalb lasst uns gemeinsam ein Lied anstimmen, bis sich der Ohrwurm in den letzten Winkel verbreitet hat: „I am strong, I am invincible, I am Woman.“ 

Text: Laura Fischbach