Trend #SocialMedianomics: Zwischen Big Data und Big Brother

Big Brother is watching you! Wer im Internet unterwegs ist und plötzlich Anzeigen von Produkten aufblinken sieht, die man irgendwann einmal bestellt hat, kommt sich regelrecht beobachtet vor. Denn dem Netz bleibt nichts verborgen – klingt unheimlich, oder?

Natürlich ist das nicht unbedingt negativ, schließlich kann uns das eine Menge Zeit sparen – denn es wurde ja schon alles ausgesucht, was uns gefällt! Was ist also schon dabei, wenn das Internet weiß, wo ich am liebsten Schuhe kaufe oder welche Serien ich gerne streame?

In Ländern wie China lautet die Antwort darauf: so einiges. Hier wird ein “Social Credit System” getestet, das die Bürger überwacht, bewertet und sie “erzieht”. Wer beispielsweise im Internet Bioprodukte bestellt und die regierungsnahe Zeitung liest, sammelt Pluspunkte: Vorzeigebürger haben gute Jobchancen, ihre Kinder den begehrten Studienplatz sicher und der nächsten Reise steht auch nichts mehr im Wege.

Problematisch wird es für jemanden, der ausschließlich Computer spielt oder sich im Netz über die Missstände im Land beschwert. Das bringt viele Minuspunkte mit sich und kann im schlimmsten Fall sogar einen Jobverlust zur Folge haben. Denn selbst Banken, Arbeitgeber, Vermieter, Reiseveranstalter oder Fluggesellschaften sollen Einsicht in die Bewertung erhalten. Es bleibt also nichts unbemerkt.

China will es aber nicht allein bei der Überwachung im Internet belassen. Mithilfe von Technik zur Gesichtserkennung sollen in Großstädten Kameras installiert werden, um das Verhalten der Bürger in der Öffentlichkeit in noch größerem Umfang zu überwachen.

Anderswo werden Daten aber auch zu wissenschaftlichen Zwecken gesammelt und analysiert, denn so kann das menschliche Verhalten erforscht werden. Das hat sich auch Seth Stephens-Davidowitz zur Aufgabe gemacht, der an der Harvard University in Wirtschaftswissenschaften promovierte. Er verwendet Daten aus dem Internet nicht, um beispielsweise das Kaufverhalten einzelner Personen zu analysieren oder etwas über ihre Persönlichkeit herauszufinden – vielmehr benötigt er für seine Forschung eine große Menge anonymer Daten, um so mehr über unsere Gesellschaft herauszufinden. So offenbarten sich Vorurteile, die manche Menschen haben, deren sie sich aber nicht bewusst sind. Beispielsweise trauen Eltern ihren Töchtern demnach weniger zu als ihren Söhnen, denn die Frage “Ist mein Sohn begabt?” wird weitaus häufiger gegoogelt als die Überlegung “Ist meine Tochter begabt?”. Und das obwohl in amerikanischen Schulen mehr Mädchen an Programmen für Begabte teilnehmen.

So kann auch herausgefunden werden, was die Menschen zu welchen Zeitpunkten beschäftigt. Um 3 Uhr nachts etwa werden besonders häufig Sorgen und Probleme gegoogelt, die die Menschen nicht schlafen lassen. An Montagen ist die Anzahl der Suchaufrufe nach “Depressionen” oder “Arzt” am höchsten, wohingegen am Wochenende am meisten nach lustigen Dingen gesucht wird. Unsere Daten haben also auch einen positiven Nutzen.