Zeit für Freizeit 2.0: Experience Extreme entführt uns in andere Welten

Nervenkitzel, Adrenalinschübe und Erinnerungen an atemberaubende Abenteuer – all das haben uns die letzten eineinhalb Jahre eher nicht beschert. Mit jedem Spaziergang um den Block wuchs die Sehnsucht nach besonderen Erlebnissen. Doch während alles herunterfuhr, rollte die Digitalisierung übers Land. Wie passend – denn diese Entwicklung hat die Grundlage dafür geschaffen, unsere Sehnsucht nach extremen Erlebnissen zu stillen. Sie sind digital, entwickeln sich rasant und lassen uns in andere Welten eintauchen: Schon heute gibt es viele einfach zugängliche Möglichkeiten für immersive Erfahrungen. Dazu gehören etwa 360°-Videos, VR- und AR-Erlebnisse sowie Hologramme. Dafür braucht es nicht immer teure Technik. Für die meisten reicht schon ein Smartphone. Wir zeigen, wie sich mit kleinen Hacks und günstigen Anschaffungen Experiences Extreme in den Alltag integrieren lassen und welches Zukunftspotenzial in den Technologien steckt. Bühne frei für Freizeit 2.0: Wir tauchen ein in die Experience Extreme.

Dank 360°-Videos können wir spontan ferne Länder bereisen. Dabei steuern wir die Aussicht über eine Navigation am Bildschirm und betrachten azurblaue karibische Buchten rundherum – ob aus schwindelerregenden Höhen oder – Luft anhalten – bei einem Tauchgang in kristallklarem Wasser. Ein Flug über Indonesien, ein Besuch bei den Ruinen der Maya in Belize oder eine Fahrt über den gefrorenen Baikalsee in Russland sind nur einige der vielen Möglichkeiten, die Welt von zu Hause aus zu entdecken. Eine Videoauflösung von bis zu 8K lässt uns noch tiefer in die virtuelle Reise eintauchen.

VR mit günstigen Tools ausprobieren

Übrigens, von „immersiven Erfahrungen“ ist dann die Rede, wenn wir uns in einer computergenerierten, virtuellen Umwelt wiederfinden, mit der Möglichkeit, in alle Richtungen sowie nach oben und unten blicken zu können. Virtual Reality (VR) erfüllt genau diese Kriterien. Speziell dafür angefertigte VR-Brillen sind das Tor in die künstlich geschaffenen 3D-Welten. VR-Erlebnisse sind so vielfältig wie die Welt – diese Funktion haben etwa Anbieter von Escape-Games für sich entdeckt. Durch die visuellen Effekte lässt sich das ursprünglich analoge Teamspiel auf ein völlig neues Level heben. Doch VR beschränkt sich lange nicht nur auf Indoor-Aktivitäten. Auch Städte lassen sich bei einem Spaziergang mit VR-Erweiterung auf eine ganz neue Weise erkunden. Wer VR selbst ausprobieren möchte, sich aber keine teure Spezialbrille anschaffen will, greift auf eine günstige und nachhaltige Alternative zurück: Sogenannte „Cardboards“ sind Gestelle aus Pappe, in die das eigene Smartphone fixiert wird. Mit einer der vielen VR-Apps lassen sich unterschiedliche Szenarien in recht guter Qualität erleben – vom Cartoon auf dem Polarkreis bis zu einer virtuellen Reise nach Nordkorea – Gänsehaut garantiert.

Doch was passiert, wenn sich virtuelle Welten mit unserer realen Welt vermischen? In diesem Fall sprechen wir von Augmented Reality (AR). Dabei wird die Umgebung mit computergenerierten Informationen und Inhalten in Echtzeit angereichert. Diese Technologie eignet sich etwa für edukative Zwecke – schon die Kleinsten unter uns können sie nutzen: So gibt es inzwischen immer mehr Kinderbücher, die neben Bildern und Texten durch das Scannen eines QR-Codes mit dem Smartphone Dinosaurier über die Seiten laufen lassen oder Vulkanausbrüche plastisch darstellen. Für die etwas Älteren unter uns bringt eine Geschichtsapp Zeitzeug:innen des Zweiten Weltkrieges ins Wohnzimmer. In einem Sessel sitzend, erzählen uns diese besonderen Gäste ihre Geschichte, untermalt von Geräuschen des Krieges im Hintergrund mit Einblendungen verschiedener Bilder. Deutlich leichtere Kost ist die AR-App SkyView. Dazu wird die Smartphone-Kamera auf den Sternenhimmel gerichtet und Sternenbilder sowie Planetennamen und Informationen erscheinen auf dem Display. Selbst der aktuelle Standort der ISS und des Hubbleteleskops der NASA werden angezeigt.

Hologramme ersetzen Bands und Zirkustiere

Wirklich erstaunlich werden digitale Erfahrungen allerdings erst dann, wenn die Inhalte von den Bildschirmen losgelöst werden. Genau dadurch zeichnen sich Hologramme aus. Wir kennen sie aus Filmen wie Star Wars, doch was früher Fiktion war, ist mit heutiger Technologie Realität geworden. Ein britisches Forschungsteam hat eine Technik entwickelt, die Hologramme „berührbar“ macht. Begibt man sich in ihre Nähe, so ist ein Kribbeln auf der Haut zu spüren. Ultraschallwellen machen diese Haptik möglich. Sie lassen ein winziges Kügelchen, das von einer Lichtquelle angestrahlt wird, durch die Luft fliegen und lenken es. Dabei befindet es sich stets in der Schwebe zwischen zwei Schallwellen – seine Bewegungen sind so schnell, dass es gleichzeitig überall zu sein scheint, so nehmen wir ein dreidimensionales Bild wahr.

Hologramm-Effekte können jedoch auch mit einfacheren Methoden erzeugt werden. Diese macht sich die Unterhaltungsbranche schon heute zunutze: So kann zum Beispiel selbst eine Band aus dem Studio auf die Bühne „gebeamt“ werden. Dazu arbeiten Veranstalter mit transparenten Folien, die in einem bestimmten Winkel vor der Bühne montiert werden. Auf diese werden Bilder gestreamt. Optimale Ausleuchtung und ein schwarzer Hintergrund lassen sie plastisch erscheinen. Solche Auftritte haben sich in London während der Pandemie etabliert, als die Bands nicht reisen konnten. Sie spielten live – nur eben an einem anderen Ort. Die Performance wurde dann auf die „Leinwand“ an jedem beliebigen Ort projiziert. Teilweise waren auch Bandmitglieder tatsächlich vor Ort – auf diese Weise entstanden hybride Events. In Japan werden mit dieser Technologie Kunstfiguren zum Leben erweckt. Manga-Bands genießen dort eine große Popularität, Hologramme verleihen den digitalen Stars einen dreidimensionalen, menschlichen Körper und bringen sie auf die Bühne.

Hologramm-Effekte kann jede:r

Doch auch der Zirkus setzt Hologramm-Effekte ein. Das Traditionsunternehmen Roncalli verzichtet inzwischen auf echte Tiere. Holografische Projektionen füllen stattdessen die Manege und lassen Zuschauer:innen staunen und Tierschützer:innen aufatmen. Doch das Potenzial der Technologie geht weit über Freizeitvergnügen hinaus: In der Medizin können Ärzt:innen Hologramme für eine genauere Diagnostik nutzen, in der Produktentwicklung lassen sich digitale Prototypen als Projektion von allen Seiten betrachten. In diversen Berufszweigen können Hologramme für Übungs- und Schulungszwecke eingesetzt werden.

Die Technologie entwickelt sich rasant. Und sie wird nicht nur unsere Freizeit bereichern. Dass wir uns bald auch bei Konferenzen und Meetings als Hologramm gegenübersitzen, ist so gut wie sicher. Übrigens, wer mal selbst einen Hologramm-Effekt erzeugen möchte, hat höchstwahrscheinlich alles Notwendige dafür – ein Smartphone, eine durchsichtige ausgediente Plastikverpackung und klares Klebeband – zu Hause. Die einzelnen Bastelschritte werden online in vielen Anleitungen erklärt.

Das Angebot digitaler Experiences Extreme wächst mit jedem Tag. Aktuelle Umfragezahlen zeigen jedoch, dass die digitalen Erlebnisse Live-Events nicht ganz so schnell den Rang ablaufen werden. In einer Studie des Festivalvermarkters Festivalfire gaben 81 Prozent der Befragten an, trotz der Corona-Pandemie grundsätzlich an Live-Events teilnehmen zu wollen. 19 Prozent geben sogar zu, im Laufe des vergangenen Jahres an illegalen Veranstaltungen teilgenommen zu haben. Bei den Befragten handelt es sich um die Generation Z, jene Digital Natives, die heute im Schnitt 20 Jahren alt sind. Doch auch wenn Festivals nicht durch Onlineformate zu ersetzen sind – eine wertvolle Erweiterung des Freizeitangebots sind unsere Experiences Extreme allemal.

Text:
Luna Kilian

Fotos:
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