28 Aug Gendern für alle – damit niemand zurückbleibt
Was passiert, wenn ein Kind den Auftrag bekommt, einen Arzt zu malen? Eher selten landet auf dem Papier eine weibliche Figur mit weißem Kittel und einem Stethoskop um den Hals. Dabei empfängt die Patient:innen nicht selten eine Frau im Sprechzimmer, wenn diese zum „Arzt“ gehen. Stellvertretend für alle Geschlechter lernen wir jedoch von klein auf, für bestimmte Berufe die männliche Form wie „Arzt“, „Bauarbeiter“, „Forscher“, „Anwalt“ zu verwenden. Für andere prägen wir uns hingegen von Anfang an die weibliche Form ein: „Stewardess“, „Kindergärtnerin“, „Krankenschwester“. Das verstärkt das Klischee von „männlichen“ und „weiblichen“ Berufen. Doch wie zeitgemäß ist das, in einer idealerweise vielfältigen und toleranten Welt? Zudem sprechen wir von einer Welt, in der sich Menschen mitnichten in ausschließlich nur „männlich“ oder „weiblich“ einteilen lassen.
Sprachwandel findet stetig statt. Es ist ein schleichender, fortwährender Prozess, der auf natürliche Weise passiert. Was jedoch immer bleibt, ist die Macht der Sprache – und die ist gewaltig. Sprache kann Menschen ausschließen, zusammenbringen, aber auch verletzen. Deshalb lohnt es sich, diese zu pflegen und akkurat zu verwenden.
Gar nicht so einfach ist das bei einer Sprache wie der deutschen, die in ihrer Grundsubstanz eigentlich männlich ist. Für eine gleichberechtigte, demokratische Gesellschaft ist das Gendern eine Lösung. Und die ist uns als bunte und weltoffene Agentur ein ganz besonderes Anliegen.
Mit dem, was wir zu sagen haben, wollen wir alle Menschen gleichermaßen erreichen. Da wir überwiegend schriftlich kommunizieren, sollen unsere Texte diese Einstellung unmissverständlich transportieren. Deshalb haben wir uns auf die Suche nach einer smarten und zeitgemäßen Lösung des Genderns begeben.
Erstmals ist gendergerechte Sprache auch im Duden angekommen
Nach längerer Recherche standen neun Möglichkeiten auf unserer Liste. Selbst das war nur eine Auswahl gängiger Methoden zu gendern. Die Vielzahl der Möglichkeiten belegt zumindest, dass sich viele Menschen mit dem Thema beschäftigen, bloß den einzig wahren Weg für zeitgemäße Ansprache aller scheint es nicht zu geben. Das „Gendersternchen“ hat es in diesem Jahr zumindest in den Duden geschafft. Erstmals befasst sich das Nachschlagewerk in seiner 28. Auflage mit gendergerechtem Sprachgebrauch.
Aus unserem Ideenpool sind schnell jene Varianten rausgeflogen, die zwar Männer und Frauen ansprechen, doch jene Menschen, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zugehörig fühlen, ausschließen. Dazu gehören etwa die Paarform wie bei Kundinnen und Kunden, das Binnen-I in KundInnen und das Splitting wie in Kund/innen. Die genannten Formen sind dual – schließen also alles weitere zwischen weiblich und männlich aus.
Das Gendersternchen und der Unterstrich lassen zwar einen Raum zwischen weiblich und männlich und decken somit die Geschlechtervielfalt ab, gehen jedoch mit anderen Schwierigkeiten einher. So stören diese Schreibweisen etwa den Lesefluss und sind auch für sehbehinderte Menschen weniger gut geeignet, da Sprachausgabeprogramme diese zusätzlichen Zeichen mitlesen.
Konsequentes Verwenden macht das Gendern „normal“
Als inklusive, platzsparende Lösung haben wir uns schließlich für den Doppelpunkt (Kund:innen) entschieden. In diesem Fall entsteht bei Sprachausgabeprogrammen lediglich eine kurze Pause und auch optisch wirken die Wörter beim Lesen nicht zerrissen. Dennoch werden auf diese Weise alle Menschen gleichermaßen abgebildet – die sprachliche Ungerechtigkeit wird elegant gelöst.
Natürlich mussten wir uns mit der für uns neuen Schreibweise erstmal etwas einspielen. Inzwischen ist sie uns vertraut. Die konsequente Verwendung schafft das Gefühl von Normalität – die rein männliche oder weibliche Form in anderen Texten zu lesen, ist schon etwas befremdlich geworden. Mit jedem gegenderten Text halten wir das Thema Gleichberechtigung im Alltag präsent. Auch unseren Kund:innen haben wir diese zeitgemäße Schreibweise ans Herz gelegt. Bei Visa ist die von uns empfohlene Form bereits im Alltag angekommen. Diese „Reform“ ist ein notwendiger Beitrag für die Gesellschaft, schließlich beeinflusst die Sprache auch unser Denken und somit unsere Einstellung und den Umgang mit vielen alltäglichen Dingen. Da ist es mehr als selbstverständlich, dass niemand auf der Strecke bleibt.