Weniger arbeiten, besser leben: der Traum von der Vier-Tage-Woche

Vier Tage arbeiten, drei Tage frei: Immer mehr Menschen feiern diesen Trend aus der New-Work-Bewegung. In Belgien gilt seit Anfang 2022 das Recht auf eine verkürzte Woche: Wer seine Arbeitszeit an vier Tagen um jeweils zwei Stunden erhöht, muss dafür am Montag oder Freitag nicht arbeiten. Laut einer forsa-Umfrage können sich 71 Prozent der Deutschen vorstellen, das Modell auch für Deutschland zu übernehmen. Klingt toll – doch ist es wirklich ein Durchbruch, wenn Arbeitnehmer:innen ihre 40 Stunden Vollzeit nun auf weniger Tage verteilen? Auf keinen Fall, meinen einige Verfechter:innen der kurzen Woche. Für manche ist es unrealistisch, mehr Stunden pro Tag zu leisten. Oder was passiert beispielsweise am Nachmittag mit den Kids, wenn Mama und Papa zwei Stunden länger arbeiten? Für Menschen wie sie wäre die Einführung nur ein Gewinn, wenn wirklich mehr Zeit für Pausen, Regeneration und Privatleben winken würde. Dafür gibt es in Deutschland das Recht auf Teilzeit und in vielen Unternehmen existieren längst Modelle mit einem freien Tag pro Woche, zum Beispiel 32 statt 40 Stunden. Doch in der Regel nehmen die Angestellten dafür einen entsprechend reduzierten Bruttolohn in Kauf. Wer auf sein Vollzeitgehalt angewiesen ist, kann darüber nur müde lächeln. Zudem erleben wir gerade einen sich rasant verändernden und verstärkt arbeitnehmerfreundlichen Markt. Die Folge: Unternehmen müssen sich plötzlich richtig ins Zeug legen, um gute Mitarbeiter:innen zu gewinnen und zu halten.

© Elise Bouet via unsplash

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Work smart, not hard

Das Traumszenario der New-Work-Bewegung lautet: weniger Arbeit, mehr Freizeit und gleiches Gehalt bei höherer Zufriedenheit. Mitarbeiter:innen sollten nach ihrer Leistung bezahlt werden – und mehr Arbeit bedeutet nicht automatisch mehr Leistung. Studien zeigen, dass die effektive Arbeitszeit eines Acht-Stunden-Tages bei knapp drei Stunden liegt. Manchmal scheint zudem ein ungeschriebenes Gesetz zu greifen: Wenn wir Zeit x für eine Aufgabe veranschlagen, benötigen wir sie auch. Was passiert also, wenn auf einmal weniger Zeit zur Verfügung steht? Noch bis Dezember 2022 läuft dazu in Großbritannien eine breit angelegte Studie mit rund 3 300 Teilnehmenden aus 70 sehr unterschiedlichen Unternehmen. Untersucht wird, wie sich eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich auf die Produktivität und Zufriedenheit auswirkt. Das Zwischenfazit der sechsmonatigen Studie bestätigt die einen und überrascht die anderen: Die reduzierte Arbeitszeit hat keine negativen Auswirkungen auf die Produktivität – und einige berichten, dass Motivation und Zufriedenheit gestiegen seien. Das legt die Vermutung nahe, dass es gewisse Rahmenbedingungen braucht: Es darf nicht das gleiche Arbeitsvolumen in weniger Zeit gequetscht werden, sondern Prozesse sollten so effektiv gestaltet sein, dass mehr Leistung bei gleichzeitig hoher Zufriedenheit möglich ist. Es sollte nicht darum gehen, vier Tage Vollgas zu geben, um dann völlig ausgelaugt den freien Tag anzutreten. Durch vermehrten Stress würden krankheitsbedingte Ausfälle tendenziell sogar steigen, anstatt weniger zu werden. Unter welchen Voraussetzungen also kann das vielversprechende Konzept halten, was es verspricht: höhere Zufriedenheit, bessere Leistungen und mehr Freizeit?

 

Zukunft gemeinsam gestalten: Wie wollen wir arbeiten?

In erster Linie werden wir nicht umhinkommen, bestehende Prozesse zu hinterfragen und zu verschlanken. Ein bekanntes Beispiel aus der New-Work-Szene: Agenturchef Lasse Rheingans führte 2017 die 25-Stunden-Woche für alle Mitarbeiter:innen ein. Fünf Stunden Arbeit pro Tag bei gleichem Umsatz – und vollem Lohnausgleich. In Interviews wirbt der Visionär für mehr Mut unter Unternehmer:innen und betont in seinem Buch „Die 5-Stunden-Revolution“, das 2019 erschien: „Wenn wir auch in Zukunft erfolgreich sein wollen, müssen wir Arbeit komplett neu denken.“ Sein erfolgreiches Praxisbeispiel liefert eine weitere Grundlage für die Debatte rund um die Machbarkeit einer Vier-Tage-Woche. Wir können festhalten: Was wir brauchen, sind nicht nur gute Löhne, sondern auch freie Zeit und vor allem flexible Modelle, die sich an den Lebensrealitäten der Menschen orientieren und bei Veränderungen angepasst werden können. Mal einen Termin bei der Zahnärztin wahrnehmen können, die Kinder früher abholen, morgens zum Sport gehen, Behördengänge erledigen, die Familie unterstützen – eben all das unterzubringen, was zum Leben dazugehört.

Bei allen Vorteilen, die eine Vier-Tage-Woche bietet, stellen sich Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen gleichzeitig viele Fragen: Wer soll das alles bezahlen? Schaffen wir tatsächlich den gleichen Umsatz in weniger Stunden? Wenn die Stunden wegfallen, was fällt noch alles hinten runter? Die Antworten darauf bleiben offen, solange wir es gar nicht erst ausprobieren. Dafür ist eine gemeinsame Anstrengung von Politik, Unternehmen und Angestellten nötig; Flexibilität ist von allen gefordert. Das Modell wird außerdem nur funktionieren, wenn Unternehmen sich der Herausforderung stellen, Prozesse effektiver zu gestalten und gleichzeitig die Belange der Mitarbeiter:innen zu berücksichtigen.

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Wer glaubt, die Vier-Tage-Woche sei nur ein vorübergehender Hype, der könnte sich gewaltig irren. Sie ist vielleicht nicht die Universallösung, doch sicher einer der derzeit größten Antreiber für eine Diskussion, die bereits im vollen Gange ist: Wie wollen und werden wir arbeiten? Die aktuellen Umstände – Arbeitskräftemangel, Ressourcenknappheit, Energiekrise, Individualität, Sinnsuche – betreffen die gesamte Arbeits- und Unternehmenskultur. Die Antworten müssen gemeinsam gesucht und gefunden werden. Wir alle haben jetzt die Chance, die Zukunft der Arbeit mitzugestalten – und zwar so, dass auch unser Privatleben profitiert.

 

Mehr Pausen für mehr Kreativität

Und wie gehen wir bei Adel & Link damit um? Wir finden das Konzept der Vier-Tage-Woche sehr spannend, flexibles Arbeiten und eine Vielzahl unterschiedlicher Teilzeitmodelle sind bei uns selbstverständlich. Und auch wir sind der Meinung: Produktivität und Kreativität geht nicht ohne Pausen! Anfang des Jahres haben wir deshalb den Wir-machen-blau-Tag eingeführt, der allen Kolleg:innen zusätzlich zum normalen Urlaub einen zusätzlichen freien Tag pro Monat gewährt – bei einer Fünf-Tage-Woche also ganze 42 Urlaubstage. Wer an weniger Tagen arbeitet, erhält die freien Tage anteilig. Denn wir wissen: Die besten Ideen entstehen oft nicht am Schreibtisch. Der Wir-machen-blau-Tag soll unseren Kolleg:innen die Möglichkeit geben, sich über den Rand des MacBooks hinaus inspirieren zu lassen und das zu tun, was ihnen guttut. Das können auch soziale und gesellschaftliche Aktivitäten oder ein Ehrenamt sein.

 

 

Text: Nina Heger

Header-Bild: Antonio Gabola via unsplash