06 Sep Pop-up-Everything – der unwiderstehliche Reiz des Limitierten
Heute da, morgen wieder weg und alle wollen hin: So lässt sich das Pop-up-Phänomen wohl am besten kurz und knapp beschreiben. Ganz gleich, ob Store, Food-Spot, Party oder Zimmerpflanzenmarkt – das zeitlich und quantitativ limitierte Angebot funktioniert wie ein Konsument:innenmagnet.
Die Arten von Pop-ups sind so unterschiedlich wie die Ideen, die dabei umgesetzt werden. So gibt es etwa leer stehende Flächen, die in Event-Spots verwandelt werden, Stände oder kioskartige Buden, die für kurze Zeit aufgebaut werden, mobile Ladenflächen in Form von kleinen Trucks oder auch das Shop-in-Shop-Konzept, bei dem Macher:innen Flächen oder Regale in einem bestehenden Laden für ein kurzzeitiges, mengenmäßig begrenztes Angebot nutzen.
Urban, minimalistisch, in jedem Fall stylish
Das Phänomen hat in vielen deutschen Städten insbesondere in den Lockerungsphasen der Pandemie Fahrt aufgenommen. Statt das Risiko einzugehen und in unsicheren Zeiten ein neues Café oder einen neuen Laden zu eröffnen, setzten Gastronom:innen und Macher:innen der Stadt ihre Ideen immer wieder kurzzeitig in Pop-up-Formaten um. In Frankfurt wurde eine Espresso-Bar schon mal kurzerhand für einen Sonntagnachmittag zum heißesten Pizza-Spot der Stadt, ungenutzte Räumlichkeiten für drei Tage zum Pflanzenmarkt und das verlassene Lädchen an der Ecke für wenige Wochen zum begehrten Taco-Restaurant mit Außenbestuhlung. Das Erstaunliche: Es war Winter und die kleinen Metalltischchen und Stühle in der knackigen Kälte restlos besetzt, während die Schlange an der Theke immer länger wurde.
Social Media befeuert den Erfolg dieser Konzepte. Posts, Reposts, Markierungen – dabei gewesen zu sein und ein cooles Foto auf Social Media zu veröffentlichen, ist ein Muss. Die Pop-ups geben uns dafür alles, was wir brauchen: Nicht selten sind die Pop-up-Orte besonders instagramable, bieten also die perfekte Kulisse für den idealen Schnappschuss, der den eigenen Insta-Feed aufwertet. Das Interior ist oft urban, minimalistisch und in jedem Fall stylish. Da bekommt selbst eine provisorische Einrichtung plötzlich einen inspirierenden Charme. Das Essen wird mit besonderer Liebe zum Detail angerichtet. Bei Fashion-Pop-ups werden auch schon mal Selfie-Spiegel mit coolen Sprüchen aufgestellt, und niemand zögert lange, diese für ein cooles Bild zu nutzen.
Hinter den ansprechenden und ästhetisch durchgestylten Events scheint sich eine geniale Marketingstrategie zu verbergen. Betreiber:innen können so ganz unverbindlich und risikoarm neue Ideen und Konzepte testen. Zusätzlich profitieren sie mächtig von all den Posts, die die begeisterte Crowd während oder nach dem Besuch des Pop-ups absetzt. Diese sind nicht nur die beste, sondern auch eine kostenlose Werbung. Da lohnt es sich gleich doppelt, die eigene Idee in ein besonders hübsches Gewand zu packen.
Der psychologische Trick der künstlichen Verknappung funktioniert nicht nur offline. Auch im Netz starten Brands schon mal heiße Aktionen, bei denen begehrte Ware für einen kurzen Zeitraum in limitierter Stückzahl angeboten wird. Und die Meute bringt regelmäßig die Server zum Glühen.
FOMO – dabei sein ist alles
Mit der Exklusivität und der Anziehungskraft ihrer Events bedienen die Macher:innen zudem ein typisches Phänomen unserer Zeit: FOMO – Fear of missing out. Nicht an dem Ort gewesen zu sein, von dem die ganze Stadt redet, ist keine Option. Dabei ist das doch eigentlich gar nichts Neues. Denn bereits vor Jahrhunderten lösten fahrende Jahrmärkte dieses Gefühl in den Menschen aus. Wenn die Schausteller in der Stadt waren, wollten alle hin – schon erstaunlich, wie wenig sich unsere Sensationslust seitdem verändert hat.
Und auch, wenn die Kurzlebigkeit oder die Marketingabsicht der Pop-ups ein wenig Kritik hervorrufen kann – wir lieben diesen Trend. So wie wir als Kinder den Jahrmarkt liebten. Es bringt Abwechslung in den Alltag und in das Straßenbild der Stadt. Die Locations sind oft inspirierend und natürlich ist der Besuch auch immer ein kleines Erlebnis.
Doch vielleicht sind Pop-ups der unterschiedlichsten Arten sogar mehr als nur ein buntes, kurzlebiges Happening? Wenn wir einen Blick auf aussterbende Fußgängerzonen oder Einkaufszentren werfen, so schreit der Leerstand an diesen Orten nach derartigen schrillen Angeboten. Haben Pop-ups also vielleicht das Potenzial, wieder mehr Leben in unsere Städte zu spülen?
Wo auch immer sie aufpoppen – für die Veranstalter:innen scheinen sie sich auf jeden Fall zu lohnen, denn viele kommen wieder. Wann es so weit ist, wird natürlich auf Social Media gedropped. Stay tuned!
Text: Luna Kilian
Fotos: Cátia Matos via pexels, Jason Briscoe via unsplash
Collage: HIVE Studios by Adel & Link